Der Reis steht hier, Ende September, tatsächlich wunderschön da. Mit ihren zarten Halmen wiegt sie sanft im Wind. Fast erntereif. Ein himmlischer Anblick, denn soweit das Auge reicht, färbt der Reis auf den Feldern das gesamte Tal goldgelb. Das Gelb des Reises hebt sich stark von den grünen Bergen ab, die das Tal umgeben. Und an der westlichen Grenze stehen wir. Am Fuße der Reisenji-Tempel, einer der vielen Rokugo Manzan Tempel, die wir hoffentlich in den kommenden Tagen besuchen dürfen.
Eine jahrhundertealte, mehrere Meter hohe Kannon-Statue, grün und gelb bemost, schaut mich ermutigend an, während mich dennoch ein Gefühl des Unbehagens überkommt. Mein Japanisch reicht nicht über das Lesen der chinesischen Kanji hinaus. Und ich sehe hier überhaupt keinen versprochenen schwarzen Wegweiser mit den befreienden Worten wie Rokugo Manzan - Pfad bitte hier entlang.
Letztlich stellt sich alles als weniger problematisch heraus. Sobald ich den Weg gefunden habe, fällt eine große Last von mir ab. Nur das Geräusch eines plätschern Wasser begleitet mich auf dem steilen Weg nach oben. Über vermooste große Steine, Felsen und Kiesel. Vorbei an kerzengeraden Kiefernstämmen und bereits leicht rot gefärbten Ahornbäumen. An moosbewachsenen Schreinen von Jizo und Kannon, zwei sehr beliebten buddhistischen Bodhisattvas in Japan. Durch lockere, duftende Wald Erde kletternd, komme ich langsam dem rauen Bergrücken näher, wo die Erlösung auf mich wartet.
Ich folge einem Pfad, wie ihn einst die in Weiß gekleideten Mönche während ihrer schweren Shugendo-Trainings beschritten. Sie gingen und kletterten von Tempel zu Tempel, um so ihr eigenes Verdienst aufzubauen, indem sie immer schneller und leichter aufstiegen. Wie ein Vogel, der hüpfend und flatternd über die steinigen Wege schwebt, entdeckten sie ihre Grenzen und das Überschreiten dieser. Was zu immer mehr Losgelöstheit führte. Dadurch wagten sie es, ihren inneren Kern zu betrachten. Ihren Kern hinter der Angst, dem Stolz, der Ausdauer und der Einsamkeit. Der Kern, einmal berührt, verleiht Flügel, so scheint es. Und wenn Sie sich so kennenlernen möchten, ist ein sanft geschwungener, horizontaler Weg nicht ausreichend. Daher dieser unerbittlich steile Pfad.