Nachdem wir Kashgar und Tashkurgan erkundet hatten, beginnt das große Abenteuer: Die südliche Route der Seidenstraße per Zug – eine überland Fahrt von Kashgar bis nach Peking, via Yarkand, Hotan, Ruoqian, Turpan und Xi’an. Insgesamt über 5.500 Kilometer Schienenstrecke.
Mit Peter Hopkirks berühmtem Buch Barbaren an der Seidenstraße (eines von vielen Werken über die Seidenstraße aus unserer Sammlung) steigen wir ein – moderne Barbaren auf Zugabenteuern entlang der alten Handelsroute.
Erster Halt: Yarkand (auf Chinesisch auch Shache genannt), eine zweistündige Zugfahrt von Kashgar. Wir nehmen den Zug am Bahnhof von Kashgar, wo wir umfangreich kontrolliert werden. Vor der Gepäckkontrolle müssen wir zunächst in eine kleine Kabine, wo ein Polizist unseren Reisepass prüft – wir erhalten einen winzigen Bon und gelangen so zum Check-in. Ruhiges Warten bis etwa fünfzehn Minuten vor Abfahrt: Dann darf jeder zum Bahnsteig. Wir stehen in einer separaten Schlange, erneut wird der Pass kontrolliert – und schließlich ist es soweit: Die Fahrt beginnt.
Der Zug ist komfortabel, wir reisen im Softsleeper-Abteil, und das Erlebnis ähnelt klassischen Reisemethoden. Hochgeschwindigkeitszüge gibt es hier noch nicht – es ist bereits bemerkenswert, dass überhaupt ein Zug fährt.
Bei der Ankunft in Yarkand erfolgt erneut eine Kontrolle, danach betreten wir die Stadt. Auch Yarkand ist mittlerweile eine große Stadt – unvermeidlich im modernen China. Auffällig ist jedoch, dass sie im Gegensatz zu Kashgar noch stark uigurisch geprägt ist, mit wenigen chinesischen Bewohnern.
Yarkand zählt zu den ältesten und kulturell bedeutendsten Städten im Südwesten der Provinz Xinjiang. Strategisch an der südlichen Route der Seidenstraße gelegen, war die Stadt über Jahrhunderte ein wichtiges Knotenpunkt im internationalen Handels-, Kultur- und Religionsnetzwerk, das Ost und West verband. Viele Karawanen aus Indien (via Ladakh) trafen hier als erste Station in diesem Teil Chinas ein. Durch die Lage zwischen der Taklamakan-Wüste und dem Kunlun-Gebirge wurde Yarkand zur unverzichtbaren Station für Karawanen mit wertvollen Waren wie Seide, Jade, Gewürzen und Textilien.
Die Stadt war jedoch mehr als nur ein Handelszentrum: Sie wurde zu einem kulturellen Schmelztiegel, in dem buddhistische, islamische und vorislamische Einflüsse zusammenkamen.
In der Tang-Dynastie (7.–9. Jahrhundert) war Yarkand eng mit dem chinesischen Kaiserhof verbunden. Später, unter islamischen Dynastien wie den Karachaniden und der Chagatai-Khan-Dynastie, entwickelte sich die Stadt zu einem bedeutenden religiösen und intellektuellen Zentrum. Im 16. Jahrhundert erlebte Yarkand eine Blütezeit als Hauptstadt des Yarkand-Khanats mit eigenem Hof, Religionsschulen und Palästen.
Bis heute ist die reiche Geschichte der Stadt spürbar. Berühmt ist sie für alte Friedhöfe, Mausoleen örtlicher Heilige und Dichter wie das Grabmal von Amannisa Khan – einer berühmten Dichterin und Hofmusikerin, die half, die klassische uigurische Muqam-Musikform zu bewahren. Auch der Basar und das historische Zentrum zeugen vom einst pulsierenden Handelsleben.
Wir erkunden die Altstadt, die besonders abends zum Leben erwacht. Überall duftende Imbissstände – ganz ohne Touristen, ähnlich der Foodstreet in Kashgar. Außerdem besuchen wir verschiedene Mausoleen und suchen die alte Stadtmauer. Alles in gemächlichem Tempo, denn es ist unheimlich heiß.
Abends beobachten wir an mehreren Orten ausgelassen tanzende Einheimische – ein Erlebnis, das uns auf der gesamten Reise mehrfach begegnen wird.
Erwarte keine pittoresk erhaltene Altstadt – doch Yarkand ist zweifellos eine authentische uigurische Stadt, deren Besuch uns großen Genuss bereitete.