In der Dschungel zu laufen, ist ein Fest. Sofern Sie nicht mit unvermeidlichen Problemen wie rutschigem Schlamm zu kämpfen haben, in den Sie mit Ihren brandneuen Tefas einen halben Meter einsinken, oder Ihre Körpertemperatur gefühlt den Siedepunkt erreicht, oder mit Lianen, die Dornen haben, an denen Sie sich festhalten, um nicht einen Meter hinunter zu rutschen, oder mit Bissen von undefinierbaren fliegenden oder kriechenden Tieren, die entweder wie verrückt jucken oder wie verrückt stechen, oder mit einem Herzstillstand, weil Sie plötzlich die Blätter über Ihnen bewegen hören und eine schwarze Gestalt über Ihren Kopf hinwegspringen sehen. Und in der Regel wird Ihnen diese Herzensangelegenheit in mehreren bunten Variationen serviert.
Durch den Dschungel zu laufen, ist also ein Fest. Ein großes Fest. Denn dieser feuchte Schlamm ist Nährboden für die fantastischsten Blumen, Bäume mit den verrücktesten Blattformen, Sträucher mit den schönsten Früchten. Das liegt an der konstant hohen Temperatur, die mein Blut erwärmt und gleichzeitig die Blumen zum Blühen bringt und die Bäume Früchte abwerfen lässt. Die fliegenden und kriechenden Tiere sorgen für die Befruchtung der Trompetenblumen, der Orchideen und unzähligen anderen bunten Blumen, die ich auf meinem Weg nach oben treffe. Ich sehe den Kakaobaum, Zimtbaum, wilde Jackfrucht, Farne mit Blättern so groß wie Elefantenohren, Lianen so dick wie Unterarme, Blätter so groß, dass ein Baby darin eingewickelt werden kann. Staunend gehe ich langsam weiter nach oben und höre dann einen Schrei. Joehoo! Ja! Er ist wirklich da! Zwischen dem Grün sehe ich etwas dunkelrotes. Dickrot, mit einigen hellen gelben Punkten. Unser 5-jähriger Sohn steht schon daneben. Er steht neben einer der größten blühenden Blumen, die es gibt. Er steht neben einer wildblühenden Rafflesia, dem Ziel unserer Rimbutour den Berg hinauf. Hurra! Auch wenn ich davor stehe, finde ich es immer noch unrealistisch. Was macht so eine seltsame, fleischige, dicke Blume mit fransigen Rändern hier? Die Blume hat einen Durchmesser von schätzungsweise einem halben Meter. Das Herz dieses Riesen ist geöffnet und hat von innen dunkelrote Dornen, die erschreckend nach außen ragen. Unzählige Fliegen, Bienen und Wespen fliegen hinein und kehren nie wieder zurück. Die Rafflesia ist eine fleischfressende Pflanze. In dem süßen, klebrigen Wasser im Herzen ertrinken die Insekten und werden so von der Königin der Blumen verschlungen. Königin oder nicht, ich finde sie erdig hässlich. Eigentlich kenne ich bis heute keine hässliche Blume. Jede Blume hat irgendwie etwas Schönes. Etwas Anmutiges. Oder eine schöne Farbe. Meistens hat eine Blume das alles zusammen. Bei der Rafflesia schaue ich immer wieder, ob ich etwas Schönes entdecke. Erfolglos. Eindrucksvoll ist sie dennoch. Das lässt sich nicht leugnen. Ihr Umfang, das fleischige Blatt, das große offene Herz. Brrr. Eigentlich beängstigend. Ja, das ist es. Es ist die seltsamste aussehende Blume auf der ganzen Erde. Die größte und die beängstigende. Und ich war dabei. Und unser fünfjähriger Sohn und unsere neunjährige Tochter waren Zeugen davon.