Nach 30 Jahren kehre ich zurück nach Xiahe. Vieles hat sich verändert – und vieles auch nicht. Die Straße von Lanzhou hierher ist deutlich verbessert worden: Über komfortable Schnellstraßen reist man nun durch das Gebiet, in dem vor allem Hui-Chinesen leben. Überall sieht man neue Moscheen dieser muslimischen Gemeinschaft.
Doch nach gut zwei Stunden Fahrt erreicht man die erste tibetische Stupa mit Gebetsfahnen – ab hier betritt man tibetisches Gebiet. Diese Stupa markiert die Grenze des historischen Tibets.
Historisches Tibet ist um ein Vielfaches größer als die heutige Provinz Tibet und umfasst weite Teile der chinesischen Provinzen Sichuan, Yunnan, Gansu und Qinghai. Historisch gesehen handelt es sich um die tibetischen Regionen Amdo und Kham. Und noch immer sind das größtenteils authentisch tibetische Gebiete, in denen man viele Klöster und Nomaden antrifft und durch atemberaubende Landschaften reist.
So reisen wir in Gansu nach Xiahe, gelegen in den Grasländern von Amdo.
Früher ein Wildwest-Städtchen mit einer einzigen Straße, ist es heute eine etwas größere Stadt geworden. Eine chinesische Neustadt ist hinzugewachsen, aber das Zentrum erinnert noch stark an früher. Eine Straße, auf der tibetische Nomaden umherstreifen, und alles läuft zusammen beim gewaltigen Labrang-Kloster. Das Kloster ist heute größer und aktiver als je zuvor, steht aber unter strikter Kontrolle der chinesischen Regierung.
Es bleibt ein beeindruckender Anblick, die vielen Pilger auf der Kora (Umrundung) um das Kloster gehen zu sehen – murmelnd, betend oder sich angeregt unterhaltend. Auch wir gehen die Kora mehrmals mit.
Das Labrang-Kloster ist eines der sechs größten tibetischen Klöster der Gelugpa-Schule (der „Gelbmützen“). Die anderen sind Kumbum (bei Xining), Ganden, Drepung und Sera (bei Lhasa) sowie Tashilhunpo (bei Shigatse).